Die Schönheit und der Charme historischer Gebäude in Österreich sind unbestritten. Ob in Wien, Salzburg oder Graz – überall finden sich prächtige Bauten, die Geschichten aus vergangenen Jahrhunderten erzählen. Doch der Erhalt und die Revitalisierung dieser architektonischen Schätze sind mehr als nur ein Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes. Sie bieten auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile, insbesondere im Hinblick auf den Tourismus und den Immobilienmarkt.
Der Trend zur liebevollen Sanierung historischer Altbauten nimmt in Österreich an Fahrt auf. Immer mehr Eigentümer und Investoren erkennen das Potenzial, das in der Kombination aus traditioneller Bauweise und moderner Technologie steckt. Dabei geht es nicht nur darum, die optische Anziehungskraft dieser Gebäude zu bewahren, sondern auch ihre funktionalen und energetischen Qualitäten den Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Lucas Kluger, Baumeister und Experte für die Sanierung historischer Gebäude, gibt im Interview Einblicke in die Herausforderungen und Chancen dieses spannenden Prozesses.
Herr Kluger, welche Rolle spielt der Erhalt historischer Gebäude in Städten wie Wien, Salzburg und Graz für den Tourismus und den Immobilienwert aus Ihrer Sicht?
Lucas Kluger: Österreich zeichnet sich nicht nur in den Hauptstädten, sondern auch in ländlichen Gegenden durch seine prachtvollen, schützenswerten Bauten aus, die von hoher Bauqualität sind und eine tragende Säule für den Tourismus darstellen. Gebäude, die Geschichten erzählen, sind wie lebendige Bücher, die zum Eintauchen einladen. Die reiche Kultur Österreichs findet ihren Ausdruck auch in der Architektur. Ein Aspekt, der mir noch bedeutsamer erscheint, ist die Bauweise und die damit verbundene Qualität dieser historischen Gebäude. Zum Beispiel bestehen Häuser aus der Gründerzeit aus fünf bis sieben Materialien. Diese Eigenschaft, zusammen mit der Flexibilität der Gebäude hinsichtlich verschiedener Revitalisierungskonzepte, sollte uns als Vorbild für nachhaltiges Bauen dienen. Die verwendeten Materialien können wiederverwendet oder zumindest recycelt werden, was einen signifikanten Einfluss auf die neu zu gestaltende Kreislaufwirtschaft und den damit verbundenen CO2-Fußabdruck hat.
Gibt es spezifische Herausforderungen, denen Sie bei der Sanierung historischer Gebäude begegnen und die in keinem Neubau auftreten?
Wenn historische Gebäude, die den baurechtlichen Anforderungen entsprechen, lediglich restauriert werden, hängt es von den Fähigkeiten der Handwerker ab, die traditionellen Techniken ihres Handwerks fachkundig anzuwenden. Bei Revitalisierungsprojekten gestaltet sich die Situation jedoch anders. Behördliche Eingriffe nehmen die Modernisierung zum Anlass, das Gebäude gemäß den aktuellen Richtlinien und Normen neu zu interpretieren, was stets eine Herausforderung in Bezug auf statische, brandschutztechnische, fluchtwegrechtliche und bauphysikalische Anforderungen darstellt.
Welche einzigartigen Vorteile bieten Altbauten gegenüber modernen Neubauten, abgesehen von ihrer ästhetischen und kulturellen Bedeutung?
Diese Gebäude zeichnen sich in der Regel durch hochwertige Materialien und deren Verarbeitung aus, ebenso wie durch eine räumliche Konzeption, die vielfältige Anpassungen ermöglicht. Zu den Merkmalen gehören:
• Raumgrößen und die entsprechenden Höhen
• Belichtungs- und Belüftungsoptionen für Aufenthaltsräume
• Unausgebaute Dachgeschosse sowie nicht genutzte Gewölbekeller
Wie können historische Gebäude an die modernen Anforderungen der Nachhaltigkeit angepasst werden, ohne ihre architektonische Integrität zu gefährden?
Für ein erfolgreiches Revitalisierungskonzept ist es entscheidend, die Gebäude gründlich zu erforschen und zu verstehen. Anschließend sollte man in einem integrativen Planungs- und Umsetzungsprozess eng mit allen Beteiligten, vom Eigentümer über den Planer bis hin zum Handwerker, zusammenarbeiten. Um die Balance zwischen dem Erhalt historischer Elemente und der Integration moderner Energiestandards in Altbauten zu finden, sind weitere Entwicklungen notwendig:
1. Gebäudesimulationen: Statische Berechnungsmodelle wie der Energieausweis geben nicht immer genau das wieder, was vor Ort geschieht. Detaillierte Gebäudesimulationen können das Verhalten eines Objekts über das Jahr hinweg genauer abbilden und ermöglichen es, gezielter auf bauphysikalische Schwachstellen einzugehen.
2. Nutzerverhalten: Die normative Regulierung des Nutzerverhaltens lässt wenig Raum für Individualität. Es stellt sich die Frage, ob es notwendig ist, überall im Haus im Winter konstant 22 °C zu haben, oder ob es zumutbar ist, in weniger genutzten Bereichen wärmere Kleidung zu tragen.
3. Baukonstruktionen: Oft werden die Qualitäten bestehender Konstruktionen unterschätzt. Beispielsweise kann ein saniertes Kastenfenster, das innenseitig mit Isolierglas verstärkt wird, die U-Werte eines Dreifachisolierglasfensters erreichen, wobei das eine aufgearbeitet und das andere neu hergestellt werden muss. Diese Überlegungen sind entscheidend, um historische Bauten energieeffizient und dennoch im Einklang mit ihrem ursprünglichen Charakter zu revitalisieren.
Welche Rolle spielen technologische Innovationen bei der Modernisierung historischer Gebäude, und welche neuen Technologien werden dabei bevorzugt?
Technologie spielt zwar eine wichtige Rolle, sollte aber stets im Hintergrund bleiben und den Nutzern dienen. Erst wenn die Anforderungen der Nutzer klar definiert und die technischen Möglichkeiten gründlich durchdacht sind, kann die Technologie sinnvoll eingesetzt werden. Sie sollte so gestaltet sein, dass sie im Bereich der Gebäuderegulierungstechnik intuitiv und mit gesundem Menschenverstand bedienbar ist.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Marktes für historische Gebäude in Österreich, und welche Maßnahmen sind erforderlich, um ihren Wert zu steigern und zu erhalten?
In Österreich ist es an der Zeit, den vorhandenen Gebäudebestand zu erforschen, zu verstehen und entsprechend nachhaltig damit umzugehen. Die EU-Taxonomie und andere Richtlinien weisen darauf hin, dass ein Umdenken erforderlich ist. Es gilt, Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl den aktuellen Bedürfnissen als auch den Anforderungen zukünftiger Generationen gerecht werden. Dieser Ansatz fördert ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Handeln im Umgang mit unserem architektonischen Erbe.
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