Sie erzählen Geschichten, werden über Generationen vererbt und strahlen Wärme und Behaglichkeit aus: Die Rede ist von historischen Altbauten. Während das äußere Erscheinungsbild meist klassisch bleibt, sehen sich die Besitzer in den Innenräumen heutzutage nach mehr Offenheit.
„Jede Immobilie erzählt eine eigene Geschichte“, sagt Michael Osmann, der sich vor nunmehr 25 Jahren auf die Revitalisierung und Renovierung von Altbauten spezialisiert hat und großen Wert darauf legt, das Bestehende zu erkennen und zu veredeln. „Ausgehend von der vorhandenen Bausubstanz und den Wünschen der zukünftigen Bewohner erkunden wir gemeinsam, was nötig ist, um dem Gebäude neuen Glanz zu verleihen. Mit viel Liebe zum Detail und hochwertigen Materialien verwandeln wir einen ungeschliffenen Diamanten in ein wahres Schmuckstück.“
Welche Herausforderungen es dabei gibt, erzählt der Experte – der mit seiner Familie selbst übrigens in einem sehr reduziert restaurierten Schloss im Weinviertel lebt – im Interview:
Die historische Substanz von Altbauten zu bewahren, ohne dabei auf moderne Wohnansprüche zu verzichten – geht das?
Unser Leitspruch ist „Wertvolles bewahren! Das Prinzip ist dabei eigentlich immer dasselbe: Ich möchte ein gegenwärtiges Lebensbedürfnis in einem Gebäude leben, das für andere Bedürfnisse errichtet worden ist. Früher hat die Köchin im Souterrain gekocht, heute kocht man selbst und will meistens offene Räume. Früher waren die guten Räume straßenseitig, weil sich da mehr Leben abgespielt hat, heute sucht man die Ruhe des Gartens. Unsere Hauptaufgabe ist es, die individuellen Wohnbedürfnisse unserer Kunden unauffällig in das bestehende Gebäude zu integrieren und dabei so viel als möglich zu bewahren. Zum Beispiel alte Böden.
Das Thema Fußboden ist ein Klassiker. Heute will jeder eine Fußbodenheizung, was natürlich heißt, dass der ganze Boden raus muss. Parkett kann man natürlich demontieren, lagern, extern überarbeiten und wieder einbauen – aber das ist mit viel Zeit und auch Geld verbunden. Und da bleiben die historischen Böden oft auf der Strecke.
Hingegen sind Raumhöhen weniger problematisch, oder?
Wenn es nicht gerade ein altes Bauernhaus ist, kann man hier aus dem Vollen schöpfen. Es kommt sehr selten vor, dass wir Decken abhängen, da kämpfe ich auch um jeden Zentimeter, auch wenn es in puncto Energiekosten nicht die billigste Variante ist. Ich kämpfe auch um die Erhaltung der Gesimse oder der Hohlkehlen am Rand. In der Gründerzeit – und davon ist noch am meisten erhalten– wurde sehr großzügig gebaut. Wir reden von Raumhöhen von 3,50 Metern, das ist keine Seltenheit.
Welche sind die größten baulichen Maßnahmen, die Sie heute bei Altbauten setzen?
Ein Klassiker ist natürlich die Wohnküche – ein großer Raum, in dem man auch essen kann und der im besten Fall mit dem Garten verbunden ist. Die Herrschaften früher haben mit dem Garten nicht viel anfangen können – wer im Freien arbeiten musste, wurde von der Sonne gebräunt, selbst hat man die noble Blässe bevorzugt. Heute will man selbst im Garten leben.
Sprich – das Haus innerlich umdrehen?
Nun ja, kaum ein Haus ist heute noch so, wie es damals gebaut wurde. Die meisten Häuser wurden alle ein bis zwei Generationen modernisiert und umgestaltet. Wir versuchen moderne Wohnbedürfnisse mit traditionellen Formen und Materialien umzusetzen, die es bereits vor 1945 gab. Alles ist eine Frage der glaubhaften Inszenierung.
Auch die Anforderungen an das Schlafen, vor allem die Verbindung mit Badezimmern hat sich geändert. Eine Herausforderung?
Dass jedes Schlaf-, Gäste- und Kinderzimmer ein eigenes Bad hat, hab es früher nicht. Sogar in Pensionen gab es ein Etagen-Bad, das alle Bewohner teilen mussten. Lösen lässt sich alles – aber solche Eingriffe kosten Geld, viel Geld. Eine bestehende Wand einzureißen, da liegen wir schon bei 20.000 Euro.
Und sind im Clinch mit dem Gesetz? Oder geht das Bundesdenkmalamt nur „nach dem Äußeren“?
Gar nicht! Denkmäler können in der Außenhaut unter Schutz gestellt werden, aber auch in der inneren Erscheinung und der Innenausgestaltung. Es gibt – wenige – Gebäude, da sind sogar die Möbel geschützt. Hier braucht es das nötige Feingefühl und natürlich auch Respekt vor dem Gebäude. Das Bundesdenkmalamt ist quasi der Anwalt des Gebäudes, der seine Interessen schützt. Da wir uns ebenfalls als Mediator zwischen dem Bauwerk und dem Kunden verstehen, hatten wir damit noch nie Probleme.
Auch wenn es viel Aufwand bedeutet – bevorzugen Menschen heute einen stilvollen Altbau gegenüber einem hippen Neubau?
Also, da zu uns nur Menschen kommen, die Freude an Altbauten haben, bin ich vielleicht der Falsche, um diese Frage unvoreingenommen beantworten zu können. Ich denke beides hat seine Berechtigung und nehme jedenfalls freudig wahr, dass die neue Generation vermehrt Interesse an traditionellen Bauweisen hat und auch Investoren beginnen, die Werterhaltung klassischer Architektur zu erkennen. In Zeiten, wie diesen muss auch gesagt werden, dass Altbauten ein Musterbespiel für Regionalität und Nachhaltigkeit sind und bei guter Pflege fast ewig haltbar. Heute ist Bauen ja klimatechnisch relativ sperrig, also schrecklich viel Energie für die Herstellung von Zement, diese schweren Baustoffe von A nach B zu bringen, Steine aus China, oder Indien…
Also gibt es einen Mangel an Materialien und Handwerkern?
Handwerk war so lange attraktiv, solange unendlich vorhandene Arbeitskräfte wenig besteuert wurden und der Transport sowie endliche Ressourcen teuer waren. Mit der Industrialisierung wurde der Transport von in Niedriglohnländern gefertigten Bauteilen grotesk billig und die Verarbeitung mit preiswerten Hilfskräften möglich. So ist es mittlerweile schwierig, einen guten Handwerker zu finden. Früher hatte man die Kalkgrube in der Nähe, Steine und Holz aus dem nächstgelegenen Wald verwendet, eventuell die Ziegel aus eigenem Lehm gebrannt. Bauen war bis vor 75 Jahren eine komplett regionale Sache – und eine gute.
Fotos: Felix Hohagen, privat
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