Käse ist weit mehr als eine kulinarische Delikatesse – es ist das Ergebnis jahrhundertealter Handwerkskunst, kombiniert mit moderner Raffinesse. Die Vielfalt an Sorten, Texturen und Geschmacksrichtungen bietet dabei ein unerschöpfliches Potenzial für Genießer. Johannes Lingenhel, der in seinem Feinkostgeschäft in 1030 Wien ein wahres Paradies für Käsefreunde geschaffen hat, gibt im Interview Einblicke in die Käseherstellung, Lagerung und Servierkunst – und zeigt, wie Käse zu einem Erlebnis für Gaumen und Sinne wird.
Herr Lingenhel, erste Frage an den Experten: Wie beeinflussen Temperatur und Luftfeuchtigkeit die Reifung von Käse, und wie kann man als Gastgeber optimale Lagerungsbedingungen zu Hause schaffen, um die Qualität eines gereiften Käses zu bewahren?
Grundsätzlich reifen die Käserohlinge bei 12–17°C, je nachdem, welches Penicillium verwendet wird, und bei einer recht hohen Luftfeuchtigkeit. Die Luftfeuchtigkeit ist wichtig, damit der Teig nicht reißt. Käse sollte immer nur im Papier vom Fachhandel eingewickelt werden und nicht in Folie, damit er atmen kann. Optimal wäre ein Käsehumidor – doch der ist meistens nicht vorhanden. Daher empfehlen wir unseren Kunden die Menge an Käse zu kaufen, die sie in den nächsten 3–4 Tagen essen werden. Auch sehr wichtig: Beim Servieren sollte der Käse zumindest Raumtemperatur haben.
Wie beeinflussen unterschiedliche Milchsorten den Geschmack und die Textur von Käse, und welche Sorten würden Sie für einen ambitionierten Hobbykäser empfehlen?
Der Fettgehalt ist eines der ausschlaggebendsten Dinge bei der Käseherstellung in puncto Geschmack und Cremigkeit. Die Textur hängt von der Sorte ab, die hergestellt wird – wie der Bruch geschnitten und wie stark entmolkt wird. Die Ziegenmilch wird oftmals als die Königsklasse bezeichnet. Daher würde ich mit Kuhmilch beginnen.
Können Sie einige weniger bekannte, aber beeindruckende Käsesorten empfehlen, mit denen man auch erfahrene Gäste überraschen kann, und wie serviert man diese am besten?
Herve – das ist ein belgischer Kuhkäse, der mit einem Bier affiniert wird. Deshalb empfehle ich dazu auch ein Pale Ale Beer. Und dann wäre da der Bon Repas – ein Gouda, der nach der alten Tradition des Maigoudas hergestellt wird.
Was sind die wichtigsten Fehler, die man bei der Lagerung von Käse zu Hause vermeiden sollte, und welche Methoden garantieren eine optimale Lagerung und Reifung?
Käse ist ein lebendiges Produkt, das sich ständig weiterentwickelt. Daher bitte unbedingt den Käse nur im Papier, in dem er atmen kann, aufbewahren – kein Tupperware, keine Folie! Die optimale Lagerung erfolgt bei einer gewissen Luftfeuchtigkeit und etwa 6°C. Vor dem Verzehr sollte der Käse unbedingt auf Zimmertemperatur gebracht werden.
Wie kann man als Gastgeber ein Käsebrett so gestalten, dass es sowohl visuell als auch geschmacklich beeindruckt, und welche Kombinationen von Käsesorten und Begleitern empfehlen Sie?
Der Käse sollte immer von mild bis würzig angeordnet sein. Ich persönlich bin ein großer Purist – ich esse Käse am liebsten ohne Beigabe, um den puren Geschmack zu erleben. Natürlich lassen sich einige Sorten wunderbar kombinieren, wie Blauschimmelkäse mit Birne. Mögliche Kombis wären:
– Hartkäse: Quitte, Birnensenf, Bier, Champagner
– Rotkultur: Traubenbeerenauslese-Gelee
– Weißkultur: Feigensenf oder -chutney, Schalenfrüchte
– Ziege: Kumquats, Birne, Riesling, gereifte Grüne Veltliner
Grundsätzlich gilt: Was schmeckt, ist erlaubt!
Gibt es bestimmte Käsesorten, die man aufgrund ihres intensiven Geschmacks oder ihrer außergewöhnlichen Textur nur in kleinen Mengen servieren sollte, um das Erlebnis für die Gäste zu maximieren?
Voll durchgereifte Sorten wie Epoisses, Blauschimmel oder Ziege sollten in kleinen Mengen genossen werden – und immer zum Schluss.
Wie wichtig ist die Herkunft und das Terroir des Käses für seinen Geschmack, und worauf sollte man als bewusster Konsument bei der Auswahl von Käse aus verschiedenen Regionen achten?
Ich achte darauf, woher die Milch kommt. Was das Tier isst, kommt 1:1 in die Milch. Daher legen wir großen Wert auf das Terroir. Sommermilch ist immer geschmackvoller und besser als Wintermilch, speziell bei Hartkäse. Wir verkaufen keinen Hartkäse, der aus Wintermilch gemacht wurde.
In welchen Fällen empfehlen Sie, Käse bei Raumtemperatur zu servieren, und wann sollte man Käse eher gekühlt präsentieren, um das bestmögliche Geschmackserlebnis zu garantieren?
Frischkäse wie Burrata, Feta oder Mozzarella sollte eher kühl serviert werden. Alle anderen Sorten genießen wir bei Zimmertemperatur – also bitte aufpassen im Sommer!
Was bedeutet Käse für Sie als Gastgeber, und wie nutzen Sie Käse, um eine bestimmte Stimmung oder Atmosphäre zu schaffen?
Der Käsegang ist ein Muss in unseren Menüs, und wir servieren den Käse vor dem Dessert. Käse öffnet den Magen, nicht umgekehrt! Käse ist ein lebendiges Produkt, das jeden Tag anders schmeckt. Ich arbeite gerne damit und versuche, diese Leidenschaft an unsere Mitarbeiter weiterzugeben, damit unsere Gäste ein unvergessliches Erlebnis haben.
Schnelle Fragen, schnelle Antworten
Welche Käsesorten gibt es in Österreich?
Österreich ist für Bergkäse berühmt! In den letzten 15 Jahren sind viele kleine Betriebe entstanden, die außergewöhnliche Sorten kreieren. Wir produzieren beispielsweise in Wien Camembert, Frischkäse, Cottage Cheese aus Ziegenmilch und Stracchino aus Büffelmilch.
Wie viel Raclettekäse rechnet man pro Person?
Ca. 200–250 g.
Welcher Käse ist gut für Lasagne?
Scamorza, Grana.
Welchen Käse braucht man für Carbonara?
Ich verwende Pecorino.
Welcher Käse eignet sich für Toast?
Ein Käse mit hohem Schmelzpunkt!
Und welcher für die Suppe?
Für ein Trüffeldinner servieren wir immer eine Fonduta mit Fontina aus dem Aostatal. Beim Käsefondue verwende ich Emmentaler, Gruyere und gereiften Bergkäse aus Vorarlberg – für das Ziehen, die Cremigkeit und den Geschmack. Die Käse dafür in Würfel schneiden, etwa drei Stunden in kalte Milch einlegen, über dem Wasserbad (!) langsam schmelzen. Mit Kirschschnaps abschmecken.
Fotos: Christof Wagner bzw. Johannes Lingenhel
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