Kostenfalle Privatgrundstück
Wenn im Postkasten unerwartet ein Brief vom Rechtsanwalt liegt, sorgt das oft für Verwunderung und Besorgnis. Obwohl den Betroffenen nicht immer klar ist, wo und wann sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, kann solche Post teuer werden.
Nicht selten ist der Auslöser für solch einen Brief das Befahren eines Privatgrundstücks. 360 Euro für ein Wendemanöver auf einem offenen Grundstück, das für jeden befahrbar und nicht abgesperrt ist, sind im Vergleich zu Parkstrafen auf öffentlichen Parkplätzen, die in Wien etwa mit 36 Euro zu Buche schlagen, doch beträchtlich.
In Wien-Donaustadt wurde im Herbst 2020 etwa diese Strafhöhe als Vergleichssumme eingefordert, bei Nichtbezahlung droht eine Besitzstörungsklage. Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall, sondern viel mehr Alltag in Rechtsanwaltskanzleien, die von Grundstücksbesitzern beauftragt werden. Die „Störer“ tappen dabei recht schnell in die Kostenfalle. Dieser Beitrag soll beide Seiten beleuchten und sinnvolle Ratschläge über den rechtlich richtigen Umgang mit dieser doch unangenehmen Situation bieten.
Wenn der Besitz gestört wird
Aus Sicht des Grundstücksbesitzers gibt es viele Konstellationen, in denen fremde Fahrzeuge die eigene Benützung des Grundstücks beeinträchtigen. Klassischerweise sind das die Behinderung der Zufahrt zu einem Parkplatz oder einer Garage sowie das längere Abstellen des fremden Fahrzeugs auf einem Privatparkplatz. Das Privatrecht hat sowohl dem Sachbesitzer als auch dem Rechtsbesitzer mit § 339 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) eine Möglichkeit gegeben, um gegen solche Störungen vorzugehen. Das Gesetz spricht von „eigenmächtig stören“, gesamt betrachtet müssen einige Voraussetzungen gegeben sein, um von einer Besitzstörung ausgehen zu können. Zunächst bedarf es einer Störungshandlung, die etwa im Abstellen, Befahren oder Durchfahren des Privatgrundstücks bestehen kann. Diese Handlung muss den Besitz stören und eigenmächtig passieren. Eigenmacht ist im Sinne von unbefugt bzw. unberechtigt zu verstehen. Ist der Besitz eigenmächtig gestört worden, kann mit § 339 ABGB gegen den Störer vorgegangen werden. Eine Mindestdauer der Besitzstörung gibt es entgegen landläufiger Meinung nicht. So kann mitunter das nur wenige Sekunden andauernde Befahren eines Privatgrundstücks eine Besitzstörung darstellen. Lediglich extrem geringfügige Eingriffe, die kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet, sind nicht als Störung zu qualifizieren.
Was sie als Grundstücksbesitzer gegen Störer tun können
Zunächst ist es empfehlenswert, mittels Hinweisschilder auf gut sichtbare Weise klar zu stellen, dass das Betreten oder Befahren des Grundstücks nicht erlaubt ist. Eine Besitzstörung ist nur dann anzunehmen, wenn es dem Störer möglich gewesen ist, den rechtswidrigen Eingriff in fremde Besitzrechte zu erkennen. Die Rechtsprechung ist bei diesem Kriterium zwar großzügig, dennoch hilft es bei der Beweisführung des Störungsbewusstseins des Störers, wenn auf gut sichtbare Hinweisschilder verwiesen werden kann. Um im weiteren Verlauf die Störer zu identifizieren, ist eine Videoüberwachung des Grundstücks anzuraten. Grundsätzlich darf ein Grundstücksbesitzer eine Überwachungskamera an beliebiger Stelle des Grundstücks anbringen. Zu beachten ist aber, dass aufgrund der Persönlichkeitsrechte, die jeder Person per Gesetz zustehen, unbedingt ein Hinweisschild angebracht werden muss, das über die Videoüberwachung informiert. Darüber hinaus darf das Blickfeld der Überwachungskamera nicht auf öffentliche Bereiche oder auf andere Privatgrundstücke gerichtet sein. Gemäß der DSGVO darf die Videoüberwachung zeitlich und örtlich nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß erfolgen. Ob die datenschutzrechtlichen Bedingungen eingehalten werden, ist dabei vom Überwachenden selbst zu beurteilen.
Besitzstörungsklage
Verbessern klar sichtbare Hinweisschilder die Situation nicht und kann die Videoüberwachung die Störer nicht von Störungen abhalten, bleibt als letzter Schritt der Weg zum Gericht. Eine Besitzstörungsklage ist beim zuständigen Bezirksgericht einzubringen. Es besteht dafür zwar keine Anwaltspflicht, jedoch ist es empfehlenswert, einen Anwalt damit zu beauftragen. Die Klage ist binnen 30 Tagen ab Kenntnis der Besitzstörung und Kenntnis der Person, die den Besitz stört, einzubringen. Die Besitzstörungsklage ist grundsätzlich auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes gerichtete. Sofern Wiederholungsgefahr besteht, ist sie auch auf die Untersagung zukünftiger Eingriffe gerichtet. Das Besitzstörungsverfahren ist ein sehr rasches Verfahren. In der Praxis wird aber vor Einbringen der Klage die Möglichkeit eines Vergleichsangebots seitens des Rechtsanwaltes, der den Grundstücksbesitzer vertritt, an den Störer ausgeschöpft. Wird der Betrag, der sich in der Regel etwa zwischen 240 und 360 Euro bewegt, vom Störer einbezahlt sowie eine Unterlassungserklärung abgegeben, wird vom Einbringen der Besitzstörungsklage abgesehen. Für jene Störer, die es auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen, können die Kosten im Falle des Unterliegens im Verfahren weit höher werden.
Wann bezahlen, wann nicht?
Wechselt man nun die Perspektive, stellt sich aus Sicht jener, die mit Anwaltsschreiben und Zahlungsaufforderungen konfrontiert werden, die Frage, wann es vernünftig ist, den Betrag einzubezahlen. Zunächst ist vorwegzuschicken, dass die Mindestintensität des Eingriffs bei einer Besitzstörung relativ schnell erreicht ist und die Rechtsprechung auch bei kurzen Eingriffen in großzügiger Weise gegenüber den Besitzern von einer Störung ausgeht. Dennoch bleiben Konstellationen, in denen Einwände des Störers vor Gericht Erfolg haben können. Wenn der Grundstücksbesitzer mangelhaft oder irreführend beschildert hat, kann die Besitzstörungsklage vor Gericht abgewiesen werden, weil das Versehen des Störers nachvollziehbar erscheint. Was bei einer Beschilderung als privates Grundstück „ausreichend“ ist, kann jedoch bereits Streitfall vor Gericht sein. Im Verfahren kann auch der Einwand der Schikane erhoben werden, allerdings nur, wenn das Vorliegen einer Störung verneint werden kann. Dies wird nur bei extrem geringfügigen Störungen der Fall sein. Es lohnt sich also als Autofahrer, die Augen stets nach Hinweisschildern offen zu halten und vor allem vor Abstellen des Fahrzeugs gut darauf zu achten, ob das auch zulässig ist.
Vom Privatparkplatz abgeschleppt – was tun?
Sollte der Fall eintreten, dass das Fahrzeug nach Abstellen auf einem Privatparkplatz von einem vom Grundstücksbesitzer beauftragten Abschleppdienst entfernt worden ist, ist es für den Betroffenen gut zu wissen, dass der Grundstücksbesitzer diese Abschleppkosten wohl selbst tragen muss. Selbsthilfe zur Abwehr eines rechtswidrigen Zustandes ist nur in äußersten Ausnahmefällen erlaubt. Und zwar nur dann, wenn staatliche Hilfe zu spät käme und ein unwiederbringlicher Schaden drohen würde. Wenn sich der Grundstücksbesitzer mit dem Abschleppen unberechtigt der Selbsthilfe bedient, begeht er selbst eine Besitzstörung und muss mit den Konsequenzen rechnen.
Ein Anwalt hilft und berät
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei Durchsicht der Judikatur der Grundstücksbesitzer im Großteil der behandelten Besitzstörungsfälle am längeren Ast sitzt und das Privatgrundstück tatsächlich schnell zur Kostenfalle werden kann. Flattert das Vergleichsangebot mit der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung ins Haus, hilft es als Betroffener, einen Anwalt zu konsultieren, der das Vorliegen einer Besitzstörung fachmännisch beurteilt und auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob sich der Streit vor Gericht lohnt. In manchen Fällen hilft vielleicht auch ein Anruf beim gegnerischen Anwalt, um die Vergleichssumme auf eine vertretbare Höhe zu senken und somit den Rechtsstreit im Wege eines Kompromisses für beide Seiten endgültig aus der Welt zu schaffen.
Beitrag verfasst mit Unterstützung von: HSP Rechtsanwälte GmbH