Wenn die Kinder aus dem Haus sind, verändert sich nicht nur der Alltag – auch das Zuhause bekommt eine neue Rolle. Wie man ein ehemaliges Kinderzimmer behutsam neu denkt, ohne die Vergangenheit auszulöschen.
Wenn Kinder erwachsen werden und ausziehen, verändert sich das Zuhause oft leiser, als man erwartet – und doch grundlegend. Türen, die früher häufig offenstanden, bleiben geschlossen. Ein Zimmer, das über Jahre voller Bewegung und Geschichten war, wirkt plötzlich größer, stiller, heller. Dieser Moment ist für viele Eltern ein Zwischenzustand: Die Vergangenheit klingt noch nach, die Zukunft fühlt sich offen an. Und mitten in diesem Übergang stellt sich ganz praktisch die Frage: Was passiert nun mit dem Zimmer?
Der sogenannte Empty-Nest-Moment ist nicht nur emotional, sondern auch räumlich ein Wendepunkt. Das Haus oder die Wohnung war lange auf Familienleben ausgelegt: auf Stauraum, auf gemeinsame Nutzung, auf Alltag. Mit dem Auszug beginnt ein neuer Rhythmus. Räume dürfen sich jetzt verändern – und damit auch die Rolle, die sie im Wohngefühl spielen.
Zeiten ändern sich. Räume auch.
Viele beginnen mit einer sanften Neuinterpretation: Das ehemalige Kinderzimmer wird zu einem Gästezimmer. Nicht als Abschied, sondern als Weiterführung. Die Atmosphäre darf ruhiger und erwachsener werden, ohne die Geschichte des Raumes zu überblenden. Ein neutrales Farbspektrum, ein hochwertiges Bett, wenige, bewusst gesetzte Möbel – so entsteht ein Zimmer, das jederzeit Besuch empfangen kann, ohne sich fremd anzufühlen. Ein einzelnes Erinnerungsstück, das bleibt, kann dabei eine schöne Verbindung schaffen.
Mit der Zeit verändert sich bei manchen jedoch auch die eigene Perspektive aufs Wohnen. Wo früher Funktionalität an erster Stelle stand, darf heute die Frage nach dem persönlichen Bedürfnis stehen. Was fehlt im Alltag? Wovon träumt man schon lange? Welche Tätigkeit bekommt zu wenig Raum?
Ein ehemaliges Kinderzimmer kann ein Atelier werden, in dem Materialien sichtbar und griffbereit sind, ohne dass sie wieder im Schrank verschwinden müssen. Oder ein Leseraum, in dem Regale zu einer stillen Wandlandschaft werden und ein bequemer Sessel den Mittelpunkt bildet. Manche gestalten hier ein Musikzimmer oder einen Ort für Yoga und Rückzug. Es geht nicht um Luxus – sondern darum, dem eigenen Leben Platz zu geben.
Dieser Prozess muss nicht schnell passieren. Erinnerungsstücke dürfen sortiert, gelagert oder weitergegeben werden – in dem Tempo, das stimmig ist. Das Ziel ist nicht, etwas „abzuschließen“, sondern den Raum mit der Gegenwart in Einklang zu bringen.

Dem Leben Raum geben
Wohnen nach dem Auszug der Kinder bedeutet deshalb weniger einen Schnitt als eine Weiterentwicklung. Räume, die lange für andere gedacht waren, können jetzt wieder persönlich werden. Das Zuhause wird nicht leerer – es wird offener. Statt vergangene Lebensphasen festhalten zu wollen, kann es wohltuend sein, ihnen einen stillen Platz einzuräumen und gleichzeitig Neues entstehen zu lassen.
So wird aus einem ehemaligen Kinderzimmer ein Raum, der wieder genutzt, gelebt und geliebt wird. Nicht, weil man etwas hinter sich lässt – sondern weil man dem Leben, das jetzt da ist, Raum gibt.
Praktische Vorgehensweisen für die Umgestaltung
- Zeit geben: Den Raum nicht sofort „umbauen“. Erst wahrnehmen, wie er sich jetzt anfühlt, bevor Entscheidungen getroffen werden.
- Auswahl statt Aufräumen: Erinnerungsstücke nicht pauschal behalten oder weggeben – sondern bewusst auswählen, was Bedeutung trägt.
- Ein Element bewahren: Ein Detail bleibt als stilles Echo: ein Bild, ein Möbel, ein Farbton. Die Vergangenheit darf mitschwingen, ohne dominant zu sein.
- Raum neu betreten: Sich vorstellen, man betritt den Raum das erste Mal. Was würde man jetzt sehen wollen? Was würde man weglassen?
- Licht beobachten: Über den Tag hinweg schauen, wie das Licht fällt – das bestimmt später Farben, Stoffe und Nutzungsart.
- Funktion vor Stil festlegen: Erst klären, wofür der Raum genutzt werden soll – danach erst über Einrichtung und Ästhetik nachdenken.
- Möbel fließen lassen: Mit wenigen Stücken beginnen. Der Rest kann nach und nach dazukommen. Räume müssen nicht „fertig“ aussehen.
- Farben nach Gefühl wählen: Welche Atmosphäre braucht man aktuell? Ruhe, Inspiration, Wärme? Die Farbwahl (https://myhome.at/farbpsychologie-im-wohnraum-farben-fuer-mehr-wohlbefinden/)) antwortet auf diese Frage.
- Flexible Lösungen bevorzugen: Klappbett statt festem Doppelbett, Rollwagen statt fixer Kommode – damit der Raum mehrere Rollen einnehmen kann.
- Räume neu im Haus denken: Manchmal passt die neue Funktion nicht ins ehemalige Kinderzimmer – und ein anderer Raum wird frei. Das Denken darf offen sein.









