Pfusch am Bau ist ein Thema, das Bauherren oft vor immense Herausforderungen stellt. Klare Vertragsgestaltung ist der Schlüssel, um Fehler und Missverständnisse bereits im Vorfeld zu vermeiden. Dr. Daniela Witt-Dörring erklärt im Interview, welche rechtlichen und praktischen Maßnahmen Bauherren ergreifen sollten, um sich abzusichern.
Frau Dr. Witt-Dörring, welche Vertragstypen werden gemeinhin als „Bauvertrag“ bezeichnet?
Beim „Bauvertrag“ sind zwei grundsätzliche Vertragstypen zu unterscheiden: Einerseits der „Bauwerkvertrag“, manchmal auch nur „Bauvertrag“ genannt, der die Ausführung bestimmter Bauleistungen regelt. Abgeschlossen wird er zwischen dem Eigentümer einer unbebauten Liegenschaft – im Fall der Neuerrichtung eines Hauses – beziehungsweise dem (Wohnungs-)Eigentümer oder Mieter eines durchgreifend zu sanierenden Objekts als „Auftraggeber“, sowie einem bauausführenden Unternehmen als Auftragnehmer.
Andererseits gibt es den Bauträgervertrag, bei dem der Kunde des Bauträgers auch die zu bebauende Liegenschaft beziehungsweise Liegenschaftsanteile vom Bauträger erwirbt. Und der Bauträger sich verpflichtet, die Bauleistungen bis zum vereinbarten Fertigstellungsgrad der Wohnung und/oder des Hauses zu erbringen, beziehungsweise durch Dritte erbringen zu lassen. Im letzteren Fall kommt der oben beschriebene „Bauwerkvertrag“, zumeist in Form eines „Generalunternehmervertrages“ zwischen dem Bauträger und dem bauausführenden Unternehmen zustande.
Welche wesentlichen Vertragsinhalte sollte ein Bauwerksvertrag/Bauvertrag umfassen, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden?
Es ist darauf zu achten, dass der Bau(werk)vertrag die vertraglichen Hauptleistungen beider Vertragsseiten genau bestimmt. Das ist einerseits der vom Auftraggeber zu zahlende Preis betreffend Höhe (fixer Preis, Indexierung) und Fälligkeit (Zahlungsplan, Teilrechnungen, Zwischenabnahmen), sowie, und das ist der komplexere Teil, die Leistungen, welches das bauausführende Unternehmen schuldet. Weiters Nebenbestimmungen, die die Bauzeit, den Fertigstellungstermin, wechselseitige Informationspflichten und Kontrollrechte des Auftraggebers, Regelungen über die Gewährleistung und einen Haftrücklass beinhalten. Und – auch ganz wichtig –, was die Folgen sind, wenn während der Ausführungsphase einer der Vertragsteile seinen Pflichten nicht vertragsgemäß nachkommt (Verzug, Pönalen, Rücktrittsrechte). Je höher die Auftragssumme, umso ausgeklügelter sollte das Vertragswerk sein. Und auch wechselseitige Sicherstellungen sowie den Abschluss von Versicherungen durch beide Vertragsseiten vorsehen. Für die Ausgestaltung eines Bauwerkvertrages sollte unbedingt rechtliche und technische Beratung eingeholt werden.
Was ist wesentlich, um den Leistungsumfang des ausführenden Unternehmens vertraglich festzulegen?
Hier braucht es eine detaillierte Baubeschreibung, für welche jedenfalls technische Fachleute heranzuziehen sind. Ein Teil dieser Beschreibung kann aus den bewilligten Plänen entnommen werden, weiters bedarf es jedoch eine Beschreibung der Materialien und Qualitäten, der Anforderungen an die haustechnischen Anlagen, der Art der Ausführung, architektonischer und ästhetischer Gesichtspunkte (Farben, Oberflächen, Beläge) etc., sowie einer detaillierten Ausstattungsbeschreibung, welche auch die zu verwendenden Produkte und Hersteller anzugeben hat. WC ist nicht WC, Lichtschalter ist nicht Lichtschalter – auch hier ist ein privater Bauherr ohne fachmännischen Rat, nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt des Angebots, und der Unkenntnis über ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis, überfordert. Diese Beratung sollte daher bei größeren Bauvorhaben nicht nur vom Anbieter eingeholt werden, sondern von unabhängigen technisch versierten Brancheninsidern. Ästhetische Gesichtspunkte wie Farbe, Form, Oberflächengestaltung werden von privaten Bauherren oft überschätzt, während technische, funktionale sowie energetische Aspekte unterschätzt werden.
Weshalb ist es so wichtig, im Bau(werk)vertrag den Leistungsumfang des ausführenden Unternehmens detailliert festzulegen? Wie erfolgt die Kontrolle?
Nur anhand einer ausführlichen und umsetzbaren Leistungsbeschreibung kann überprüft werden, ob das bauausführende Unternehmen seinen vertraglichen Pflichten nachkommt. Und damit sichergestellt werden, dass die Erwartungen des Auftraggebers, die der Vereinbarung der Höhe des Preises zugrunde liegen, erfüllt werden. Auch ist es so, dass ein „strenger“ Vertrag die Qualität der Ausführung steigert, weil der Auftragnehmer weiß, dass er bei „underperformance“ finanziell zur Rechenschaft gezogen werden kann. Sehr wichtig ist auch, dass die Kontrolle der Qualität der Bauleistungen bereits laufend während der Bauphase erfolgt. Kontrolliert man erst bei Fertigstellung und Übernahme, sind viele Mängel aufgrund der Natur des Baugeschehens nicht mehr erkennbar und machen sich dann erst im Laufe der Zeit im Rahmen der Nutzung bemerkbar. Dann ist es für den Auftraggeber oftmals zu spät, seine Ansprüche durchzusetzen, beziehungsweise hat er mit erheblichen Beweisschwierigkeiten betreffend Feststellung der Mängel zu kämpfen.
Welche Formerfordernisse gibt es beim Bau(werk)vertrag?
Ein Bau(werk)vertrag kann „in der Theorie“ auch mündlich rechtsgültig abgeschlossen werden. Es ergibt sich jedoch aus den obigen Ausführungen, dass lediglich schriftliche Abfassung empfehlenswert ist. Der Vertrag sollte daher eine Schriftformklausel enthalten, die auch vorsieht, dass sämtliche Nebenabreden, allfällige Vertragsergänzungen und Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen. Und auch alle wesentlichen Nachrichten der Vertragsparteien untereinander der Schriftform bedürfen, wobei für fristkritische Anzeigen – bei welchen es auf den Zeitpunkt der Absendung ankommt – auch die Versendung per Reco-Schreiben vorgesehen werden sollte. Einfache E-Mails erfüllen das Schriftformerfordernis nicht. Die elektronische Signatur setzt sich in der Praxis immer mehr durch und ist bei Einhaltung der Vorgaben auch gültig.
Welche Vertragsinhalte sind im Bauwesen möglicherweise nichtig oder anfechtbar, und wie kann man sich davor schützen?
Da im Normalfall der private Auftraggeber Verbraucher, und der Bauausführende Unternehmer ist, gilt der umfassende gesetzliche Schutz durch das Konsumentenschutzgesetz (nur) zugunsten des Auftraggebers. Nichtige oder anfechtbare Bestimmungen treffen daher zumeist nur den Auftragnehmer nachteilig. Ausgenommen wäre eine zu ungenaue Leistungsschreibung, die dazu führen könnte, dass ein Vertrag gar nicht zustande kommt, das ist der sogenannte „Dissens“. Das würde, wenn er auf das Zustandekommen des Vertrages vertraut hat, auch den Auftraggeber negativ berühren.
Dennoch ist es aus Gründen der Rechtssicherheit beiden Vertragsteilen zu empfehlen, auf ausreichend bestimmte, transparente und klare Vertragsbestimmungen zu achten. Siehe dazu auch die Ausführungen zum Erfordernis der detaillierten Leistungsbeschreibung oben.
Welche juristischen Instrumente empfehlen Sie, um die Risiken von Baufehlern oder Vertragsverletzungen zu minimieren?
Was Sie beachten sollten oder brauchen:
- Bonität des Anbieters vor Vertragsabschluss überprüfen (Achtung: unüblich niedriger Anbotspreis ist „red flag“).
- Klarer und ausführlicher Vertrag, der unter Beratung von rechtlichen und technischen Fachleuten zustande kommt.
- Vermeidung von zu hohen „Vorleistungen“ (Anzahlungen oder über Ersuchen des Unternehmers vorgezogenen Fälligkeiten).
- Laufende Kontrolle und Dokumentation der Bauleistungen während der Bauphase durch technische Fachleute.
- Schlussabnahme unter Begleitung technischer Fachleute, die bei nicht ausreichender Leistung durch Sachverständige dokumentiert oder bestätigt wird. Sollten erhebliche Mängel vorliegen, ist die Übernahme zu verweigern.
- Haftrücklass vereinbaren.
- Abschluss von Versicherungen.
- Aufbewahren aller (auch der vorvertraglichen) Korrespondenzen.
- Strukturiertes und datiertes Speichern von Fotos.
- Vormerkung von Fristen (etwa Ablauf der Gewährleistungsfrist) mit ausreichender Vorfrist, um Maßnahmen ergreifen zu können.
- Sofortige schriftliche Mängelrüge, wenn sich Mängel abzeichnen.
- Gerichtliche Beweissicherung, wenn sich Streitpunkte abzeichnen.
- Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, die Streitigkeiten aus Bauverträgen/Erwerb von Grund und Boden deckt (auch diesbezüglich: frühzeitig Beratung einholen, da Wartefristen zwischen Abschluss des Versicherungsvertrages und Beginn des Planungsprozesses/Abschluss des Bauvertrags oder Bauträgervertrages eingehalten werden müssen, damit die Deckung gegeben ist).
Und zu guter Letzt: Gute Nerven und dann viel Glück im neuen Heim!
Fotocredits: Fotostudio HUGER
Ähnliche Beiträge: