Der Frühling summt, der Sommer brummt – doch was passiert, wenn es plötzlich still wird im Garten? Der Rückgang von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen ist ein Alarmsignal für unser Ökosystem. Gartenexperte Reinhard Kittenberger weiß, wie wir mit einfachen Mitteln gegensteuern können. Ein Gespräch über die Rückkehr zur Vielfalt, das richtige Maß an Wildheit – und warum auch kleine Gärten und Balkone Großes bewirken können.
Eines sei gleich zu Beginn gesagt: „Wir reden nicht nur von Bienenfreundlichkeit, wir reden von Lebensfreundlichkeit“, sagt Reinhard Kittenberger. Der Gartenexperte und Gründer der Kittenberger Erlebnisgärten im niederösterreichischen Schiltern versteht Gärten als Rückzugsräume – nicht nur für Menschen, sondern auch für Insekten, Amphibien, Vögel und Pflanzen. „Wenn wir keine Tiere mehr im Garten haben, dann wird unser Leben – und das der Tiere – nicht mehr möglich sein.“ Umso wichtiger sei es, Gärten wieder als Lebensräume zu gestalten: mit Blütenvielfalt, Nistmöglichkeiten, Totholz, Steinhaufen, altem Holz, Laubhaufen und Rückzugsorten für Wildbienen, Hummeln, Eidechsen und Frösche.
Zurück zu den Ursprüngen – alte Sorten, große Wirkung
Ein insektenfreundlicher Garten lebt laut Kittenberger vor allem von Ursprünglichkeit – nicht von Züchtung. „Viele Pflanzenarten wurden in den letzten Jahrzehnten auf Schönheit gezüchtet, nicht auf Nutzen.“ Die Folge: gefüllte Blüten, die zwar schön zum Anschauen sind, für Bienen und Insekten aber wertlos, „weil es für sie da nichts zu holen gibt.“ Sein Plädoyer daher: alte Wildformen verwenden. „Meine Forsythie zum Beispiel, die noch mein Vater gesetzt hat, ist eine Wildform. Und die wird natürlich von Bienen besucht, weil sie dort die Nahrung finden, die sie suchen.“ Neben der genannten Forsythie, so Kittenberger, sind offen blühende Sträucher wie Schlehe, Weißdorn oder Crataegus besonders wertvoll – oder auch der weißblühender Großstrauch, an dem Kittenberger in seiner Baumschule eben erst vorbeigegangen ist: „Hunderte Bienen auf einem einzigen Busch – das ist gelebte Biodiversität.“
Vielfalt im Jahreslauf – Nahrung von Januar bis Dezember
Bienen und andere Bestäuber brauchen Nahrung das ganze Jahr über. „Ich bin immer stolz, wenn ich im Jänner durch unsere Erlebnisgärten gehe und irgendwo ein blühendes Eck finde“, sagt Kittenberger. Selbst bei Minusgraden seien Schneerosen, Winterduftschneeball oder Wintermahonien in Blüte – und die ersten Wildbienen kämen bei Sonnenstrahlen sofort hervor. Im Frühling sorgen Zwergspieren bzw. Weigelien oder einfache Obstbäume für reich gedeckte Insektentafeln. Im Sommer übernehmen Hortensien, Hibiskus, Schmetterlingsflieder oder Duftkräuter. Wichtig ist die Mischung – und das bewusste Einsetzen von blühenden Lückenfüllern über das Jahr hinweg.
Kräuter, die duften – aber nicht für alle
Aber nicht jede Pflanze, die herrlich duftet, ist bei Insekten beliebt. „Lavendel und Rosmarin, aber auch viele Minzenarten sind für uns wunderbar – für Insekten aber oft uninteressant oder sogar abschreckend“, erklärt Kittenberger. Gerade deshalb sei es sinnvoll, Gartenräume bewusst zu zonieren: „Kräuter dorthin, wo der Mensch sitzt – blühende Pflanzen dorthin, wo Insekten Nahrung finden.“ So entstehe ein Garten, der Mensch und Tier gleichermaßen Raum gibt.
Auch kleine Gärten und Balkone können viel bewirken
Das funktioniere übrigens nicht nur in Gärten, sondern auch auf Terrassen und Balkonen. „Man braucht keinen Hektar“, betont der Gartenprofi. Auch kleine Vorgärten oder Balkone lassen sich bienenfreundlich gestalten. Entscheidend sei die Pflanzenauswahl. Zwergsträucher wie Weigelien oder Spieren, einfache Hortensien und Wildrosen seien ebenso wertvoll wie ein einzelner Obstbaum im kleinen Vorgarten. Selbst das Blumenkistl kann sinnvoll bepflanzt werden: „Ich bin ein riesiger Fan der Pelargonien“, sagt Kittenberger. „Offene Blüten, intensive Farben – und unzählige Bienen drauf.“ Auch kräftige Farbkombinationen – Rot, Orange, Pink – seien wieder gefragt. „Die Natur darf ruhig auffallen.“
Wildblumenmischung? Unbedingt – aber mit Bedacht
Und wie steht der ORF-Gartenexperte zu Wildblumenmischungen, die es bereits fertig zu kaufen gibt? Marketing-Gag oder sinnvoll? „Fertige Blumenwiesen-Mischungen“, betont Kittenberger, „machen definitiv Sinn. Ich verwende sie auch, weil sie Vielfalt zurückzubringen. Nachsatz: „Ja, manche Mischungen sind teuer, aber gut zusammengestellt. Und sie halten. Im ersten Jahr blüht viel Einjähriges – im zweiten übernehmen mehrjährige Arten wie Margeriten, Schafgarbe oder Alchemilla.“ Wer unsicher ist, sollte sich im Gartencenter beraten lassen – oder eine Mischung individuell zusammenstellen lassen, abgestimmt auf Standort und Boden.
Vielfalt ist Zukunft
Ein Garten voller Leben ist kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung. „Wir müssen wieder lernen, dass es die einfachen, ursprünglichen Dinge sind, die wirklich zählen“, so Kittenberger. Denn ohne Bienen keine Bestäubung. Ohne Insekten keine Früchte. Ohne Vielfalt keine Zukunft. Und die beginnt – mit einem einzigen Strauch.
Reinhard Kittenberger ist Gartenexperte, Unternehmer und Gründer der Kittenberger Erlebnisgärten in Schiltern, NÖ. Ebendort gestaltet er mit seinem Team naturnahe Gartenräume, die Kreativität, Handwerkskunst und ökologische Verantwortung vereinen. Mit Leidenschaft für Biodiversität, Nachhaltigkeit und die Schönheit des „Wohnraums Garten“ zählt er heute zu den bekanntesten Gartengestaltern des Landes.
Ähnliche Beiträge:
Lavendel pflegen – die besten Tipps