Farben sind weit mehr als nur ein gestalterisches Element – sie beeinflussen unsere Stimmung, unser Verhalten und sogar unsere Leistungsfähigkeit. Astrid Reintjes, Gründerin von „Miss Pompadour“, einem Online-Shop für Farben mit Sitz in Regensburg, Deutschland, hat sich intensiv mit der Wirkung von Farbtönen in Innenräumen beschäftigt. Im Interview erklärt sie, wie Farbpsychologie funktioniert, welche Farben sich für unterschiedliche Räume eignen und warum die richtige Farbwahl unsere Lebensqualität spürbar verbessern kann.
Frau Reintjes, was versteht man eigentlich unter Farbpsychologie?
Farbpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, wie Farben unsere Emotionen, unsere Wahrnehmung und unser Verhalten beeinflussen. Sie wird gezielt in Bereichen wie Marketing, Design, Kunst, Mode und sogar in der Psychotherapie eingesetzt, um Stimmungen hervorzurufen oder gewünschte Reaktionen zu erzeugen.
Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie Farben unser Wohlbefinden beeinflussen?
Ja, zahlreiche Studien belegen, dass Farben einen messbaren Einfluss auf unsere Emotionen, unser Wohlbefinden und sogar unser Verhalten haben. Dabei spielen sowohl kulturelle als auch individuelle Faktoren eine Rolle.
Kann das Farbempfinden verallgemeinert werden, oder gibt es große Unterschiede in der Wahrnehmung?
Farben wirken nicht auf jeden Menschen gleich. Kulturelle Unterschiede sind dabei besonders auffällig. Während Weiß in westlichen Kulturen für Reinheit und Unschuld steht, symbolisiert es in asiatischen Ländern oft Trauer. Rot hingegen wird in China mit Glück und Wohlstand assoziiert, während es in westlichen Ländern häufig für Warnung oder Leidenschaft steht. Auch individuelle Empfindungen spielen eine Rolle. Je nach Lebenslage fühlen wir uns von bestimmten Farben eher angezogen oder abgestoßen.
Gehen wir Farbe für Farbe durch: Rot wird mit Leidenschaft, aber auch mit Aggression assoziiert. Passt Rot in jeden Raum?
Rot ist eine sehr kraftvolle Farbe und sollte mit Bedacht eingesetzt werden. Besonders im Schlafzimmer rate ich davon ab, da Rot eine anregende Wirkung hat und genau das Gegenteil von dem erzeugt, was man in einem Raum der Entspannung erreichen möchte.
Blau gilt als beruhigend, kann aber auch mit Melancholie verbunden werden. Für welche Räume eignet sich Blau besonders?
Blau ist ideal für Räume, in denen eine entspannte Atmosphäre gewünscht ist. Besonders gut passt es ins Schlafzimmer oder in einen Hobbyraum. Blautöne mit Grünanteilen eignen sich außerdem hervorragend für Badezimmer, da sie eine Verbindung zum Thema Wasser und Wellness schaffen.
Gelb steht einerseits für Kreativität und Fröhlichkeit, andererseits für Feigheit und Neid. Wie sollte Gelb in der Raumgestaltung eingesetzt werden?
Die negativen Assoziationen mit Gelb sehe ich nicht so stark. Vielmehr fördert Gelb Kreativität, weshalb es sich besonders für Arbeitszimmer und Home-Office-Bereiche eignet. Ein kleiner Selbsttest: Wer vor einem leeren Blatt Papier sitzt und nicht weiterweiß, sollte für zwei Minuten auf ein gelbes Post-It schauen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Ideen dann nur so sprudeln.
Welche psychologischen Effekte hat Grün, und wie kann man es gezielt einsetzen?
Grün wird mit Natur und Gesundheit verbunden und ist daher eine ideale Küchenfarbe. Zudem ist es eine der harmonischsten Farben im Innenraum, da sie sich mit fast allen anderen Farbtönen gut verträgt. Besonders in Wohnzimmern mit großen Fensterfronten oder in Wintergärten fügt sich Grün harmonisch ein, da es sich mit den Farben der Natur draußen verbindet.
Welche Farben lassen Räume größer oder kleiner wirken?
Die Wahrnehmung eines Raumes hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Deckenhöhe, die Himmelsrichtung und der Grundriss. Eine helle Decke vergrößert optisch niedrige Räume, während eine dunklere Stirnwand in einem langen Flur für mehr Struktur sorgt. Eine dunklere Seitenwand kann schmale Räume optisch verbreitern und mehr Tiefe verleihen.
Warum kann eine dunkle Farbgestaltung entgegen der landläufigen Meinung eine offene Wirkung erzeugen?
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass dunkle Farben Räume grundsätzlich kleiner wirken lassen. Tatsächlich zieht sich die Pupille zusammen, wenn sie auf einen sehr hellen Farbton blickt, wodurch der Raum enger erscheint. Dunkle Farben hingegen lassen die Pupille weiten, was dazu führt, dass der Raum größer wahrgenommen wird.
Welche Farben eignen sich besonders für Schlafzimmer, Esszimmer und Co?
Für das Schlafzimmer eignen sich Blautöne mit Grauanteilen, da sie beruhigend wirken. Alternativ bietet sich ein warmes Beige an, das einhüllend und gemütlich wirkt. Im Esszimmer sind Orangetöne eine gute Wahl, da sie appetitanregend wirken und gleichzeitig die Kommunikation fördern. Für das Arbeitszimmer eignen sich Gelbtöne besonders gut, da sie die Kreativität anregen. Im Badezimmer sind Aquatöne, eine Mischung aus Blau und Grün, eine hervorragende Wahl, da sie für eine frische und entspannende Atmosphäre sorgen.
Warum ist es in der Farbpsychologie wichtig, dass Farben zur Persönlichkeit der Bewohner passen?
Farben beeinflussen unsere Emotionen maßgeblich, was sich bereits an unserer täglichen Kleiderwahl zeigt. Es gibt sogar wissenschaftliche Erkenntnisse dazu. Patienten in salbeigrünen Krankenzimmern genesen schneller, und Aufwachräume in Blau helfen, Panik zu reduzieren. Auch Insassen in Gefängnissen zeigen sich weniger aggressiv, wenn die Wände in Rosa gestrichen sind. Farben haben also eine messbare Wirkung, und deshalb sollte man genau überlegen, welche Farbtöne am besten zu den Bewohnern und ihrer aktuellen Lebenssituation passen.
Welche Rolle spielen Farbkombinationen, und wie lassen sich unterschiedliche Töne harmonisch verbinden?
Farben wirken nicht nur einzeln, sondern auch in Kombination miteinander. Monochrome Farbwelten, also verschiedene Abstufungen einer Farbe, wirken beruhigend, elegant und minimalistisch. Analoge Kombinationen, also Farben, die im Farbkreis nebeneinander liegen, wie beispielsweise Grün und Braun, erzeugen eine natürliche und harmonische Wirkung. Komplementärfarben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen, wie Blau und Orange, wirken dynamisch und energiegeladen. Diese Kombination eignet sich besonders für kreative Räume oder Geschäftslokale. Triadische Kombinationen, bei denen drei Farben gleichmäßig im Farbkreis verteilt sind, wie Rot, Blau und Grün, sind sehr ausdrucksstark und sollten im Interieur gezielt und bewusst eingesetzt werden.
Astrid Reintjes ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von “Miss Pompadour”. In dem 2019 gegründeten Unternehmen verantwortet die vierfache Mutter Produktion, Logistik, Einkauf und Produktentwicklung.
Fotos: MissPompadour bzw. MissPompadour/deense_zomer
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