Energiegemeinschaften boomen. Was darunter zu verstehen ist, wie sie gegründet werden und vieles mehr weiß Guntram Preßmair, Spezialist für Energiegemeinschaften bei „e7 energy innovation & engineering“, einem Ingenieurbüro für Energie- und Umwelttechnik.
Regionale erneuerbare Ressourcen nutzen, die sozialen Vorteile maximieren und gemeinsam nachhaltig wirtschaften – genau das ermöglichen Energiegemeinschaften, die seit mehr als drei Jahren in Österreich gegründet werden können. „Dabei gibt es drei Formen“, sagt Guntram Preßmair, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Schwerpunkt Energiegemeinschaften bei „e7 energy innovation & engineering“.
Bereits seit 2017 können Bewohner eines Mehrfamilienhauses als „Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage“ (GEA) den beispielsweise durch eine gemeinschaftliche Photovoltaikanlage erzeugten Strom selbst nutzen. Seit 2021 kann der selbst erzeugte Strom darüber hinaus über die Grundstücksgrenzen hinweg von einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft (EEG) lokal und regional gehandelt und verbraucht werden.
Auch überregionale, bundesweite Lösungen in Form von Bürger-Energiegemeinschaften (BEG) sind mittlerweile möglich. „Haben die Eltern am Einfamilienhaus in Vorarlberg eine PV-Anlage, können sie mit diesem Strom nun den Sohn im Burgenland versorgen“, sagt Preßmair.
Wahrer Boom
In den vergangenen beiden Jahren haben Energiegemeinschaften einen wahren Höhenflug hingelegt: Gab es Ende 2022 österreichweit gerade einmal 165 Energiegemeinschaften, waren ein Jahr danach bereits 2.130 gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen, 1.550 Erneuerbare-Energiegemeinschaften sowie 220 Bürger-Energiegemeinschaften registriert. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht: Vorläufigen Zahlen zufolge waren mit Ende Juli rund 250 GEAs, 2.100 EEGs sowie 350 BEGs an den Energiewirtschaftlicher Datenaustausch (EDA) angeschlossen.
Wer kann Energiegemeinschaften gründen?
„Bei einer Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage schließen sich die Bewohner eines Mehrparteienhauses zusammen“, sagt Preßmair. Erneuerbare Energiegemeinschaften wiederum können von natürlichen Personen, Gemeinden, Rechtsträgern von Behörden in Bezug auf lokale Stellen sowie kleinen und mittleren Unternehmen gegründet werden. „Große Konzerne können nur als Dienstleister auftreten“, so der Experte.
Bei Bürger-Energiegemeinschaften kann hingegen jeder – vom Privaten bis zum Großunternehmen – mit an Bord sein.
Voraussetzungen für die Gründung von Energiegemeinschaften
Wer im Haus den Strom gemeinsam nutzen will, muss sich nur beim Netzbetreiber als Hausgemeinschaft melden. „Untereinander sollte man einen Errichtungs- und Betriebsvertrag schließen, in dem unter anderem geregelt ist, nach welchem Schlüssel der Strom aufgeteilt wird“, so Preßmair.
Erneuerbaren und Bürger-Energiegemeinschaften hingegen benötigen eine eigene Rechtspersönlichkeit, sie sind daher meist als Verein oder Genossenschaft organisiert. Nach der Gründung der Rechtsperson muss sich die Gemeinschaft auf der Website www.ebUtilities.at registrieren und erhält im Gegenzug eine Marktpartner-ID. „Haben sowohl die Gemeinschaft als auch die einzelnen Teilnehmer mit diesem einen Vertrag abgeschlossen und wurden die Teilnehmer im EDA-Anwenderportal registriert, ist die Anmeldung als Energiegemeinschaft fertig“, erklärt Preßmair.
Verschiedene Vorteile
Energiegemeinschaften wirken sich auf verschiedenen Ebenen positiv aus: Sie ermöglichen, selbst erzeugte erneuerbare Energie mit Nachbarn, Familie und darüber hinaus zu teilen. Das schafft Unabhängigkeit, aber auch mehr Zusammengehörigkeit mit der Gemeinschaft. Darüber hinaus erhöhen sie das Bewusstsein für die Erzeugung und den Verbrauch von erneuerbarem Strom und beschleunigen den Umstieg auf dezentraleerneuerbare Energien. Dazu kommen ökonomische Vorteile: „Bei gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen spart man sich die Netzgebühr für die lokal erzeugte Energie zur Gänze, bei den erneuerbaren Energiegemeinschaften gilt ein reduziertes Netzentgelt“, sagt Preßmair.
Nicht ganz autark
Wer denkt, er kann als Teil einer Energiegemeinschaft seinen Vertrag mit einem traditionellen Energieversorger kündigen, der irrt jedoch. „Eine Energiegemeinschaft ist eine zusätzliche gemeinsame Energieversorgung“, so Preßmair.
Förderungen zur Gründung
Mit dem Förderprogramm „Energiegemeinschaften 2024“ unterstützt der Klima- und Energiefonds weiterhin die Gründung innovativer Gemeinschaften, die als Vorbild- und Musterprojekte mit innovativem Charakter dienen können und einen erhöhten Planungsaufwand aufweisen. Die Projekte müssen ein Set an technologischen, sozialen, organisatorischen und ökologischen Kriterien wie etwa den Einsatz unterschiedlicher Erzeugungstechnologien, die Verbindung mit E-Mobilität, die Adressierung von Energiearmut oder konkrete Maßnahmen zur Berücksichtigung von Gender & Diversität erfüllen.
Es werden unter anderem Beratungsleistungen, Informationsveranstaltungen, Planungsarbeiten und Umweltstudien gefördert. Zur Verfügung stehen in der aktuellen Ausschreibung zwei Millionen Euro, dotiert aus Mitteln des Klimaschutzministeriums (BMK), die maximale Finanzierung pro Förderungsnehmer (inkl. Bonus) beträgt 20.000 Euro.
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