Von Schutzgittern bis hin zu sicheren Schlafumgebungen – erfahren Sie von Kindersicherheits-Experte und Mediziner Holger Till, wie Sie Ihre Wohnung kindersicher machen, ohne den Entdeckungsdrang Ihrer Kinder zu bremsen.
Wohnung kindersicher machen
Der Moment, in dem Ihr Baby beginnt zu krabbeln, markiert einen wichtigen Meilenstein in seinem Leben und in Ihrem. Und damit geht die Frage einher: Wie sicher ist eigentlich unser Zuhause? Holger Till, Präsident des Vereins „Große schützen Kleine“ und Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie in Graz rät dazu, bereits vor der Geburt des Babys auf eine sichere Umgebung zu achten und potenzielle Gefahrenquellen frühzeitig zu eliminieren. „Babys können bereits vom ersten Lebenstag an vom Wickeltisch stürzen oder beim Schlafen unter dicke Decken rutschen und so in gefährliche Situationen geraten“, betont er. „Bei Babys und Kleinkindern tut sich unglaublich viel in der psychomotorischen Entwicklung. Oft schaffen sie von heute auf morgen Dinge, die den Eltern gestern noch unmöglich schienen.“ Und genau in diesen Momenten und Entwicklungsphasen passieren auch die meisten Unfälle: „Die Kleinen nutzen zum Beispiel die Couch als Aufstiegshilfe, um ans Fenster zu gelangen. Oder sie ziehen am Tischläufer, um an den Keksteller zu kommen – wobei gleichzeitig die heiße Teekanne runterfällt.“
Was sind die häufigsten Gefahrenquellen zuhause?
Eine besonders gefährliche Zone im Haushalt ist die Küche. Vor allem der Herd und heiße Flüssigkeiten bergen ein großes Unfallrisiko. Till empfiehlt: „Hier sollte unbedingt ein Schutzgitter verwendet werden. Überschüssiges heißes Wasser wie etwa im Wasserkocher sollte man immer sofort wegleeren.“ Gefährliche Dinge wie Chemikalien, Batterien, scharfe Messer und Feuerzeuge sollten auf alle Fälle kindersicher verwahrt werden – am besten hoch oben oder in abgesperrten Laden und Kästen.
Schwere Verletzungen bei Babys und Kleinkindern passieren aber auch häufig durch Stürze aus der Höhe – aus dem Fenster, vom Wickeltisch, über die Treppe oder aus dem Bett. „Vor Fensterstürzen kann man Kinder relativ einfach bewahren, indem man versperrbare Fenstergriffe montiert und Kinder beim Lüften nie aus den Augen lässt“, so der Experte. Wichtig: Insektengitter oder Katzennetze bieten keinen Schutz!
Stolperfallen für Kinder aus dem Weg räumen
„Beim Wickeln sollte man immer eine Hand am Baby haben – vom ersten Lebenstag an. Für Treppen und Betten gibt es entsprechende Schutzgitter.“ Stürze generell gehören dazu, gerade beim Gehen lernen. Hier geht es vor allem darum, Stolperfallen aus dem Weg zu räumen und auf Anti-Rutsch-Maßnahmen zu setzen wie Matten für Badewannen oder Socken mit Noppen.
Ganz wichtig, so der Till, ist es auch, Kästen und Kommoden sicher an der Wand zu befestigen, Steckdosen zu sichern und alles, was kleiner als ein Tischtennisball ist außer Reichweite von Kleinkindern unter drei Jahren aufzubewahren. Und: „Das Kind gut beobachten und in puncto Unfallprävention dem nächsten Entwicklungssprung des Kindes immer einen Schritt voraus zu sein.“
Worauf vergessen Eltern oft, wenn es um die Sicherheit ihrer Kinder geht?
Eltern unterschätzen oft vor allem die rasante Entwicklung von Kindern. Mit ihnen verändern sich auch die möglichen Gefahren. „Der Wickeltisch und das Babybett sind bald kein Thema mehr, dafür kommen im Entdeckeralter andere Gefahren im Haushalt wie etwa der Herd sowie im Garten beispielsweise der Pool dazu.“
Wie mache ich Pools, Biotope & Co kindersicher?
Wenn das Kind daheim Zugang zu Wasserflächen im Freien hat, ist besondere Vorsicht geboten. Kleinkinder können bereits in weniger als zehn Zentimeter Wassertiefe ertrinken. Zudem passiert Ertrinken lautlos und innerhalb von drei bis fünf Minuten. Daher lautet der Appell des Experten ganz klar: „Kinder im und am Wasser niemals aus den Augen lassen und, wenn mehrere Erwachsene vor Ort sind, unbedingt vereinbaren, wer gerade die Aufsicht hält. Pools, Biotope und ähnliche Wasserflächen sichert man am besten mit einem mindestens 1,5 Meter hohen Zaun und einer selbstschließender Tür. Für Pools sind auch versperrbare Schiebehallen eine gute Lösung. Planschbecken bitte niemals befüllt ohne Abdeckung stehen lassen und auch an die Absicherung von Wassertonnen denken.“
Lassen sich alle Gefahren vermeiden?
Nein, lautet die Antwort des Experten, „Das wäre auch nicht sinnvoll. Es ist wichtig, dass Kinder ihrem Alter und Entwicklungsstand an den richtigen Umgang mit Gefahrenquellen herangeführt werden.“ Als Elternteil und Aufsichtsperson, erklärt er, geht es darum, eine sogenannte „Risikokompetenz“ zu entwickeln, also die Balance zwischen „Überbehütung“ und „grober Fahrlässigkeit“ zu finden. „Vor manchen Gefahrenquellen muss man Kinder sehr gut schützen, hier gibt es keine Kompromisse. Dazu zählen Ertrinken, Verbrennen und Verbrühen mit heißen Flüssigkeiten und der Fenstersturz. Andere Unfallgefahren, wie etwa den Sturz in der Ebene, der mal mit einem aufgeschlagenen Knie oder einem blauen Fleck einhergeht, gilt es mit Maß und Ziel in Kauf zu nehmen – „der gesunden Entwicklung des Kindes sowie den eigenen Nerven zuliebe.“
Über den Verein:
„Große schützen Kleine“, das Österreichische Komitee für Unfallprävention und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, ist eine Non-Profit Organisation die eng mit österreichischen kinderchirurgischen Kliniken und Kinderkliniken zusammenarbeitet. Die Arbeit von „Große schützen Kleine“ umfasst neben der Erhebung von typischen Unfallsituationen von Kindern und Jugendlichen vor allem Maßnahmen zur Verbesserung des Gefahrenbewusstseins durch Vorträge, Publikationen und Medienarbeit sowie die Entwicklung und Umsetzung von praktischen Projekten der Kinderunfallverhütung mit vielen Partnern.
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